E-MailWeiterleiten
LinkedInLinkedIn

Urteil Obergericht/Handelsgericht (AG - AGVE 2006 66)

Zusammenfassung des Urteils AGVE 2006 66: Obergericht/Handelsgericht

In dem Entscheid der Landwirtschaftlichen Rekurskommission vom 20. April 2006 ging es um die Beschwerdelegitimation und die Zuständigkeit zur Prüfung des Vorkaufsrechts gemäss dem Bäuerlichen Bodenrecht. Das Bundesgericht wies die gegen den Entscheid erhobenen Beschwerden ab. Es wurde diskutiert, wer zur Beschwerde berechtigt ist, insbesondere im Zusammenhang mit dem Vorkaufsrecht und der Erwerbsbewilligung. Es wurde festgestellt, dass nicht jeder automatisch beschwerdeberechtigt ist, sondern ein tatsächliches Interesse nachgewiesen werden muss. Der Streitwert bei einer angefochtenen Erwerbsbewilligung nach dem BGBB wurde auf höchstens 10% des Kaufpreises festgelegt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AGVE 2006 66

Kanton:AG
Fallnummer:AGVE 2006 66
Instanz:Obergericht/Handelsgericht
Abteilung:-
Obergericht/Handelsgericht  Entscheid AGVE 2006 66 vom 20.04.2006 (AG)
Datum:20.04.2006
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:II. Bäuerliches Bodenrecht66 Beschwerdelegitimation; Zuständigkeit zur Prüfung des Vorkaufsrechtskaufsrechts (Erw. 2.5.1. - 2.5.6.)
Schlagwörter: Vorkaufs; Erwerbsbewilligung; Interesse; Vorkaufsrecht; Bodenrecht; Amtliches; Bulletin; Gewerbe; BGBB-; Vorkaufsrechts; Entscheid; Beschwerdelegitimation; Kommentar; Grundstück; Bäuerliches; Rekurskommission; Nationalrat; Aufhebung; Ständerat; Landwirtschaftliche; Verweigerung; BGBB-Kommentar; Pächter; Zweck; Recht; Kantons; Mitteilung; Auslegung
Rechtsnorm: Art. 216d OR ;Art. 681 ZGB ;
Referenz BGE:112 Ia 97; 126 III 274;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AGVE 2006 66

2006 Bäuerliches Bodenrecht 321

II. Bäuerliches Bodenrecht



66 Beschwerdelegitimation; Zuständigkeit zur Prüfung des Vorkaufsrechts
- Auslegung von Art. 83 Abs. 3 BGBB (Erw. 2.4.1. - 2.4.4.)
- Zuständigkeit des Zivilrichters zur Prüfung des Bestandes eines Vor-
kaufsrechts (Erw. 2.5.1. - 2.5.6.)
- Streitwert bei einer Erwerbsbewilligung nach BGBB (Erw. 4.)

Aus dem Entscheid der Landwirtschaftlichen Rekurskommission vom
20. April 2006 in Sachen K. gegen R. und D.

Das Bundesgericht hat die gegen den Entscheid erhobenen Verwaltungsgerichtsbe-
schwerde und staatsrechtliche Beschwerde abgewiesen.



2.4.1. Nach dem klaren Wortlaut von Art. 83 Abs. 3 BGBB sind
Vorkaufsberechtigte zur Beschwerde gegen die Erwerbsbewilligung
legitimiert.
2.4.2. Zur Auslegung von Art. 83 Abs. 3 BGBB ist weiter die
Entstehungsgeschichte heranzuziehen (vgl. BGE 112 Ia 97).
Der Nationalrat wie auch der Bundesrat wollten die Beschwer-
delegitimation nicht speziell regeln, sondern die allgemeine Norm
von Art. 103 lit. a des Bundesgesetzes über die Organisation der
Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz [OG]) vom 16. De-
zember 1943 (SR 173.110) gelten lassen, wonach zur Verwaltungs-
gerichtsbeschwerde berechtigt ist, wer durch die angefochtene
Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren
Aufhebung Änderung hat (Amtliches Bulletin Nationalrat 1991,
S. 876 f.). Der Ständerat vertrat jedoch die Ansicht, eine spezielle
Regelung dränge sich auf, um namentlich die Beschwerdebefugnis
des Nachbarn auszuschalten, denn es wurde eine nicht erwünschte,
2006 Landwirtschaftliche Rekurskommission 322

unberechenbare Ausdehnung der Beschwerdelegitimation auf Dritte
befürchtet; er sah vor, dass gegen die Verweigerung der Bewilligung
die Vertragsparteien und gegen die Erteilung der Bewilligung ledig-
lich die kantonale Aufsichtsbehörde Beschwerde führen dürfen
(Amtliches Bulletin Ständerat 1990, S. 686; 1991, S. 154; 1991,
S. 731; Beat Stalder, in: Das bäuerliche Bodenrecht, Kommentar zum
Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht vom 4. Oktober 1991,
Brugg 1995 [nachfolgend: BGBB-Kommentar], N 15 zu Art. 83).
Bundesrat Koller meinte, dass es vor allem um den Pächter und jene
gehe, die Kaufs-, Vorkaufs- und Zuweisungsrechte geltend machen
können; wenn diese Parteien ausdrücklich erwähnt würden, könnte
eine Kompromisslösung gefunden werden (Amtliches Bulletin
Ständerat 1991, S. 731). Die vom Parlament akzeptierte Kom-
promisslösung (Amtliches Bulletin Ständerat 1991, S. 731; 1991,
S. 852; Amtliches Bulletin Nationalrat 1991, S. 1701) finden wir nun
in Art. 83 Abs. 3 BGBB. Es wurde betont, dass nicht der Nachbar zur
Beschwerde legitimiert sein soll, sondern der Pächter und die
Vorkaufs- und Kaufsberechtigten (Amtliches Bulletin Nationalrat
1991, S. 1701 f.). Wie sich aus dem Vorgenannten ergibt, wollte der
Gesetzgeber die Beschwerdelegitimation mit Art. 83 Abs. 3 BGBB
enger umschreiben als in Art. 103 lit. a OG (BGE 5A.21/2005 vom
17. November 2005, Erw. 4.2.; BGE 126 III 274, Erw. 1c).
2.4.3. Weiter ist nach dem Sinn und Zweck des Abs. 3 des
Art. 83 BGBB zu fragen.
Die hier genannten Beschwerdelegitimierten können allesamt
grundsätzlich ein qualifiziertes Interesse am fraglichen landwirt-
schaftlichen Grundstück bzw. Gewerbe und dadurch an der Erwerbs-
bewilligung bzw. deren Verweigerung aufweisen, wobei sich dieses
Interesse aus anderen Bestimmungen des BGBB ergibt:
a) Durch das Erfordernis einer Erwerbsbewilligung werden die
Vertragsparteien in ihrem Recht, über das Grundstück frei zu verfü-
gen, eingeschränkt, wobei diese Einschränkung im BGBB selbst
begründet ist. Als Korrelat wird ihnen immerhin die Befugnis einge-
räumt, gegen eine ihrer Ansicht nach ungerechtfertigte Verweigerung
der Bewilligung Beschwerde zu führen.
2006 Bäuerliches Bodenrecht 323

b) Nach Art. 83 Abs. 3 BGBB ist auch der Pächter
beschwerdelegitimiert. Die besondere Beziehung des Pächters zum
landwirtschaftlichen Grundstück und zur Erwerbsbewilligung ergibt
sich aus bäuerlichem Sonderrecht: zum einen aus dem Bundesgesetz
über die landwirtschaftliche Pacht (LPG) vom 4. Oktober 1985 (SR
221.213.2), zum anderen aus dem BGBB. Das BGBB räumt ihm in
Art. 47 bei Veräusserung des Grundstücks ein Vorkaufsrecht ein. Will
oder kann er sein Vorkaufsrecht nicht ausüben, läuft er Gefahr, dass
das Pachtverhältnis durch den Erwerber wegen Eigengebrauchs
aufgelöst wird (Art. 15 Abs. 1 LPG; BGBB-Kommentar, N 16 zu
Art. 83).
c) Als beschwerdebefugt nennt Art. 83 Abs. 3 BGBB zudem
Kaufs-, Vorkaufs- Zuweisungsberechtigte. Ihre Kaufs-, Vor-
kaufs- bzw. Zuweisungsberechtigung, somit auch ihr spezielles Inte-
resse am landwirtschaftlichen Grundstück bzw. Gewerbe und an der
Verweigerung der Erwerbsbewilligung, gründet im BGBB (Art. 11
ff., Art. 25 ff., Art. 36 ff., Art. 42 ff.). Bei Veräusserung an einen
Dritten könnten sie unter gewissen Umständen ihr Vorzugsrecht
verlieren, namentlich wenn das Vorzugsrecht auf das gesamte land-
wirtschaftliche Gewerbe ausgeübt werden könnte, im konkreten Fall
jedoch nur ein Teilverkauf vorgenommen wird (BGBB-Kommentar,
N 15 zu Art. 83).
d) Klarerweise findet auch die Beschwerdeberechtigung der
kantonalen Aufsichtsbehörde ihre Grundlage im Sinn und Zweck des
BGBB: die Aufsichtsbehörde soll über die Einhaltung der BGBB-
Bestimmungen wachen (LKE BB.1998.50001 vom 28. April 1998,
S. 12 f., in: AGVE 1998, S. 498 ff.).
2.4.4. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Absicht des Parla-
ments wie oben ausgeführt darin bestand, die Beschwerdebefugnis
gegenüber Art. 103 lit. a OG enger zu fassen, namentlich sollte der
Nachbar von der Beschwerde ausgeschlossen werden. Dies bedeutet
aber und ergibt sich aus der Auslegung nach Sinn und Zweck, dass
entgegen dem Wortlaut von Art. 83 Abs. 3 BGBB selbst den dort
Aufgezählten keine Beschwerdelegitimation zukommt, wenn sie
aufgrund der konkreten Umstände über kein Interesse im Sinne von
Art. 103 lit. a OG verfügen.
2006 Landwirtschaftliche Rekurskommission 324

Ein schutzwürdiges Interesse setzt ein tatsächliches, aktuelles
Interesse voraus (BGE 5A.21/2005, Erw. 4.2.).
2.5. 2.5.1. Sowohl die Vorkaufsberechtigung als auch die Be-
schwerdeberechtigung gegen die Erwerbsbewilligung setzen den
Willen und die Eignung zur Selbstbewirtschaftung voraus. Mit der
Ausübung des Vorkaufsrechts kann die vorkaufsberechtigte Person
das Gewerbe an sich ziehen. Wird eine Erwerbsbewilligung aus
Gründen, die in der Person des Käufers liegen, verweigert, so bleibt
dies gemäss Art. 216d Abs. 2 OR i.V.m. Art. 681 ff. ZGB gegenüber
dem Vorkaufsberechtigten ohne Wirkung, das heisst, er kann das
Vorkaufsrecht ungeachtet der Aufhebung der Erwerbsbewilligung
ausüben. Aus diesem Grunde fordert Beat Stalder im BGBB-Kom-
mentar, dass der Vorkaufsberechtigte, der sein Recht noch ausüben
kann, im Einzelfall ein Rechtsschutzbedürfnis nachweisen muss, das
über seinen Anspruch, das in Frage stehende Gewerbe an sich zu
ziehen, hinausgeht (BGBB-Kommentar, N. 15 zu Art. 83; in diesem
Sinne entschied auch das Obergericht des Kantons Schaffhausen am
14. Februar 2003 i.S. S. [in: Amtsbericht des Obergerichts an den
Grossen Rat des Kantons Schaffhausen {ABSH} 2003, S. 139 ff.];
vgl. entsprechender Hinweis im Entscheid des Verwaltungsgerichts
des Kantons Schwyz vom 19. Juli 2002 [in: Entscheide der Gerichts-
und Verwaltungsbehörden des Kantons Schwyz {EGVSZ} 2002,
S. 110 f.]; vgl. dagegen BGE 5A.33/2004 vom 9. Mai 2005, welcher
diese Problematik allerdings nicht abhandelte).
(...)
2.5.3. Was die Beschwerdeführerin hinsichtlich der beanstande-
ten nicht rechtzeitigen Mitteilung der Erwerbsbewilligung vorbringt,
ändert nichts an der Legitimationsvoraussetzung hinsichtlich des
schutzwürdigen Interesses. Besteht kein schutzwürdiges Anfech-
tungsinteresse bei rechtzeitiger Mitteilung, so ist ein solches auch bei
einer allfällig verspäteten Mitteilung nicht gegeben.
An dieser Stelle sei jedoch angeführt, dass die Vorinstanz poten-
ziell Beschwerdeberechtigten die Erwerbsbewilligung mitzuteilen
hat. Der Entscheid über die Vorkaufsberechtigung bzw. Mitteilungs-
pflicht kann - entgegen dem Kreisschreiben des Departements des
Innern und des Finanzdepartements zum Vollzug des BGBB vom
2006 Bäuerliches Bodenrecht 325

8. Juli 2004 (...) - nicht an die Urkundsperson delegiert werden. Die
Rechtsmittelbelehrung ist mit dem Hinweis zu ergänzen, dass die
Beschwerdeerhebung eine Beschwerdelegitimation voraussetzt.
(...)
2.5.5. Was das Argument des aufwändigen Zivilprozesses be-
trifft, ist Folgendes auszuführen. Sowohl die Vorkaufsberechtigung
als auch die Beschwerdeberechtigung gegen die Erwerbsbewilligung
setzen den Willen und die Eignung zur Selbstbewirtschaftung voraus.
Wille und Eignung sind somit sowohl im Zivilprozess als auch im
Verwaltungsverfahren Prüfpunkte. Das Beschwerdeverfahren gegen
die Erwerbsbewilligung geht aber darüber weit hinaus, ist doch
eigentlicher Beschwerdegegenstand die Überprüfung der Erwerbsbe-
willigung. Der Gesetzgeber schuf das Beschwerdeverfahren gegen
die Erwerbsbewilligung nicht zum Zweck, zivilprozessuale Fragen
vorab durch das Verwaltungsgerichtsverfahren zu beantworten, denn
hiezu bestand kein öffentliches Interesse (vgl. LKE LP.96.50001 i.S.
U. vom 28. August 1996, S. 7). Der Bestand des zivilrechtlichen
Instituts des Vorkaufsrechts ist entsprechend vorab vom dafür zustän-
digen Zivilrichter zu prüfen und zu beurteilen.
2.5.6. Zusammenfassend ergibt sich, dass kein schutzwürdiges
Interesse der Beschwerdeführerin an der Aufhebung der Erwerbsbe-
willigung ersichtlich ist:
Denn ist sie vorkaufsberechtigt, so zieht sie mit Ausübung ihres
Vorkaufsrechts ohnehin das Gewerbe an sich, woran weder der Wei-
terbestand noch die Aufhebung der angefochtenen Erwerbsbewilli-
gung etwas ändern.
Sollte sie jedoch nicht vorkaufsberechtigt sein, so steht ihr man-
gels Vorkaufsrechts auch keine Legitimation zur vorliegenden Be-
schwerde zu.
Folglich ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
(...)
4. (...) Analog zur aargauischen Praxis, dass bei einer als Gan-
zes strittigen Baubewilligung 10% der Bausumme den Streitwert
bildet (BGE 1P.654/2005 vom 16. März 2006; AGVE 1989, S. 283
ff.; AGVE 1983, S. 249 ff.), ist bei einer angefochtenen Erwerbsbe-
2006 Landwirtschaftliche Rekurskommission 326

willigung nach BGBB von einem Streitwert in der Höhe von
höchstens 10% des Kaufpreises auszugehen. (...)
Wollen Sie werbefrei und mehr Einträge sehen? Hier geht es zur Registrierung.

Bitte beachten Sie, dass keinen Anspruch auf Aktualität/Richtigkeit/Formatierung und/oder Vollständigkeit besteht und somit jegliche Gewährleistung entfällt. Die Original-Entscheide können Sie unter dem jeweiligen Gericht bestellen oder entnehmen.

Hier geht es zurück zur Suchmaschine.